Rolfing und Bewegung

Ziel des Rolfing® ist es, die Struktur des Körpers dahingehend zu beeinflussen, dass ein Mensch sich möglichst mühelos im Schwerkraftfeld der Erde bewegen kann, und das Gesamtbefinden sich verbessert.

Neben der manuellen Arbeit am Faszien- und Muskelgewebe spielt das Rolf Movement™ eine große Rolle. Dabei geht es um die sensomotorische Schulung zur Erreichung ökonomischer Bewegungsabläufe. Das bedeutet: die persönliche Art und Weise, wie ich mich im Alltag bewege, kennenzulernen, zu erspüren und gegebenenfalls mit dem Rolfer zusammen günstigere Möglichkeiten zu erkunden und auszuprobieren. Rolf Movement ist eine Bewegungspädagogik, die sowohl im Rahmen der eigentlichen Rolfing-Sitzungen stattfindet als auch in separaten Movement-Sitzungen angewendet wird.

Rolfing Movement

Die Ziele des Rolf Movement

  • den Bewegungsspielraum erweitern (Flexibilität)
  • neue Haltungs- und Bewegungsoptionen erschließen
  • eine optimale Bewegungsökonomie ermöglichen auf der Grundlage von
  • Stabilität und Gleichgewicht der Bewegung
  • mit Rücksicht auf die seelische und soziale Bedeutung, die eine Bewegung für einen bestimmten Menschen in einer bestimmten Situation hat

Die Erreichung jedes Teilziels ist abhängig von der Erreichung der anderen Teilziele. Sie sind also wechselseitig voneinander abhängig und dementsprechend orientiert sich auch die Vorgehensweise einer Rolfing-Bewegungsstunde an diesen fünf Teilaspekten.

 Rolfing Movement

Das praktische Vorgehen

Wie oben bereits erwähnt, ist die Wahrnehmung des Ist-Zustandes der erste und notwendige Schritt zur Veränderung. Zusammen mit dem Rolfer/der Rolferin erspürt eine Person z.B., wie sie im Alltag sitzt. Fragen können sein: Erfahre ich genügend Unterstützung durch den Boden und den Stuhl im Moment? Wenn nicht, welche Aspekte meiner Haltung verhindern das? Von wo aus richtet sich mein Körper auf? Wo in meinem Körper strenge ich mich an? In welcher Körpergegend verspüre ich Spannungen/Schmerzen? Hat diese Befindlichkeit etwas zu tun mit der Stellung anderer Körperregionen? Wie ist meine Beziehung zum umgebenden Raum? Ist meine persönliche Haltung mitbestimmt durch soziale Bezüge zu meiner jeweiligen Umgebung? Usw. Dann kann man daran gehen, neue Haltungs- und Bewegungsmöglichkeiten zu erspüren und in den Alltag zu integrieren.

 Rolfing Movement

In der Zeit zwischen den Sitzungen erleben Menschen im Alltag außer den strukturellen und bewegungsbezogenen Veränderungen häufig auch ein gewandeltes Verhältnis zu sich selbst und zu ihrer Umwelt. Diese Erfahrungen und Wahrnehmungen werden dann zu Beginn der folgenden Sitzungen besprochen und als wesentliches Element des Veränderungsprozesses beachtet.

Die Qualität des Dauerns“ erreichter Veränderungen hängt natürlich auch vom Einzelnen und seinem Umgang mit sich und seinem Körper ab. Das heißt, über die Zeit meiner Rolfing-Stunden hinaus gilt es „am Ball zu bleiben“, Aufmerksamkeit auf meine Haltungs- und Bewegungsabläufe zu richten. Geduld mit sich selbst („Nicht immer, aber immer öfter“), Humor und Entdeckerfreude sind langfristig hilfreicher als verbissenes Üben und rein äußerliches Anwenden von Posen einer „guten Haltung“.

Rolfing und Arbeitsplatz

Viele Menschen haben mit ihrer Körperhaltung und dem Ablauf immer wiederkehrender Bewegungen große Probleme. Hier haben sich Rolfing und Rolf Movement vielfach bewährt.

Ein Beispiel aus Minnesota/USA: Die Firma Starkey Laboratories, der weltweit größte Hersteller von Hörgeräten, hat 1992 in ihr Wellness-Programm für Betriebsangehörige Rolfing am Arbeitsplatz aufgenommen. 1996 zog Larry Miller, der Chef der Personalabteilung Bilanz:

„Rolfing war ein entscheidender Faktor, um den Modifikations-Faktor (der das berufsspezifische Risiko misst und die Versicherungsbeiträge festlegt) herunterzufahren. Rolfing als Gesundheitsvorsorge ist eine exzellente Wahl für Unternehmen, die ihren Krankenstand senken und die Produktivität steigern wollen. Eine Handoperation aufgrund eines Carpal-Tunnel-Syndroms z.B. kostet unsere Firma ungefähr 35.000 Dollar, eine Serie Rolfing-Sitzungen 800 Dollar. Wir haben zigtausende von Dollars gespart.“

Neben Menschen, die Präzisions-Instrumente herstellen, berichten auch Zahnärzte, Kunsthandwerker, Menschen am Computer und Angehörige anderer Berufsgruppen von einer Verbesserung ihrer Lebensqualität am Arbeitsplatz.

Zum Thema Bewegung schauen Sie sich unsere zusätzlichen Artikel über Rolfing und Sport, Tanz, Musik, Schauspiel/Theater und Körpersprache an.

Wenn Sie noch etwas Bewegungs-Theorie aus der Sicht des Rolf Movement kennenlernen möchten, können Sie hier weiterlesen:

Was ist Bewegung?

Jede Haltung/Bewegung eines Menschen setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: dem funktionalen Element, nämlich dem gegebenen Muster muskulärer Spannungen (Tonusmuster), und dem strukturellen Element, nämlich der passiven Eigenspannung in allen mechanisch relevanten Bindegewebs-/Faszienmembranen (Muskelfaszien, Organumhüllungen, Sehnen, Bändern, Knochenhaut usw.), welche wie ein kontinuierliches Netzwerk den ganzen Körper umgeben und innerlich durchziehen.

Die Körperstruktur, die bestimmt wird durch die Spannungszustände im Fasziengewebe, ist die Art und Weise, wie die einzelnen Abschnitte/Segmente des Körpers miteinander ein räumliches Verhältnis bilden. Diese individuelle Struktur eines Menschen setzt den Spielraum, innerhalb dessen er bestimmte Haltungen / Bewegungen einnehmen kann. Sie ist deshalb ein relativ stabiles Muster. Umgekehrt wirkt das funktionale Element langfristig auf das strukturelle ein, weil Bewegungen/Haltungen, welche immer wieder mit den gleichen Tonusmustern der Muskulatur ablaufen, die Struktur beeinflussen.

Der Vielfalt der Bewegungsabläufe und Haltungen eines Menschen liegt also die Struktur des Menschen zugrunde, d.h. die individuelle und spezifische Form seines Körpers. Dieser Strukturbegriff umfasst freilich nicht nur die Form des Körpers als solche, sondern schließt seine Beziehung zur Schwerkraft, der er lebenslang und ununterbrochen unterworfen ist, als wesentlich mit ein. Die Schwerkraft vor allem ist es, die permanent Zug- oder Druckspannungen im Körper erzeugt. Zugspannungen vorwiegend im faszialen Netzwerk, welches ein geschlossenes System von Umhüllungen innerhalb von Umhüllungen bildet. Druckspannungen dagegen werden in den Füllungen der Faszienmembranen erzeugt, also in den Knochen, Organen und allen anderen von Faszien umhüllten Gewebsarten (hydrostatisches Modell).

Die zentrale Fragestellung des Rolfing lautet: Wie müssen sich die Teile des Körpers räumlich zueinander verhalten, damit die Schwerkraft ihn nicht deformiert, sondern eine positive Ordnungsfunktion übernimmt, sodass sich die Struktur des Menschen an ihr orientieren und aufrichten kann? Dieser zentrale Ansatz führt in Theorie und Praxis zu umfassenderen Fragestellungen nach der Beziehung zwischen Struktur und Funktion (Bewegung, Atmung, Stoffwechsel usw.) sowie nach der Beziehung zwischen Struktur und Psyche des Menschen.

Da der Mensch immer in Bewegung ist – selbst ruhiges Sitzen oder Stehen ist nur durch feinste ausbalancierende Bewegungen möglich -, ist das oben beschriebene strukturelle Ideal nur dann von Wert, wenn es sich in der Bewegungsqualität äußert. In diesem Sinne ist eine Struktur dann optimal, wenn sie Bewegungsformen ermöglicht, die den geringstmöglichen Energieaufwand und ein Minimum an Anstrengung erfordern.

Streckmodus der Bewegung

Bei der bislang in Medizin und Sport vorherrschenden Anschauungsweise sieht das Bewegung erzeugende muskuläre Zusammenspiel von Spieler- und Gegenspielermuskeln (Agonisten und Antagonisten) meist so aus: Bewegung wird primär eingeleitet durch ein Zusammenziehen (Erhöhung der Muskelspannung) der Agonisten. Bei diesem Ablauf sind die Antagonisten von sekundärer Bedeutung, weil sie durch passive Verlängerung (Herabsetzung der Muskelspannung) lediglich der Initiative der Agonisten folgen. Und tatsächlich ist dieser Bewegungsstil bei den meisten Menschen vorherrschend.

Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass es eine andere Möglichkeit gibt, den Streckmodus. Bei diesem sieht der Ablauf von Bewegungsauslösung so aus: Das für die Einleitung von Bewegung erforderliche Ungleichgewicht der Kräfte wird bewirkt durch eine selektive Herabsetzung der Muskelspannung bei den Antagonisten und der Muskulatur insgesamt. Die Schwerkraft wirkt dabei verstärkend. Die Agonisten nehmen dann die Initiative der Antagonisten auf, verstärken sie durch geringstmöglichen Arbeitsaufwand und setzen die so begonnene Bewegung fort. Die Bewegungsinitiierung ist deshalb für einen ökonomischen Bewegungsablauf so wesentlich, weil entsprechend dem Trägheitsgesetz diese – wenn auch manchmal sehr kurze Phase – im allgemeinen den größten Energieaufwand erfordert.

Die elastische Kraft der Faszien spielt beim Streckmodus eine entscheidende Rolle. Durch eine Dehnung der Faszien auf der Antagonistenseite kann nämlich die in den Faszien gespeicherte potentielle Energie in kinetische Energie umgewandelt werden.

Rolfing Movement

Für eine möglichst ökonomische Bewegung ist aber nicht allein der Modus der Bewegungsauslösung entscheidend, sondern auch die Frage, welchen Weg die Bewegung nimmt. Energiesparend ist eine Bewegung im allgemeinen nur dann, wenn sie auch den kürzesten Weg vom Ausgangs- zum Endpunkt einer Bewegung(sphase) nimmt, denn: Energie = Kraft x Weg. Dies ist dann gewährleistet, wenn die Bewegungsachse sich in einem Winkel von 90° zur Scharnierachse des Gelenks befindet. Außerdem sollte sich die Scharnierachse zwecks Dekompression des Gelenks und zur Aufrechterhaltung eines mühelosen Körpergleichgewichts vom Körperschwerpunkt entfernen. Dies geschieht durch Herabsetzung der Muskelspannung.

Rolf Movement

Ein – wie beschrieben – möglichst geringer Energieaufwand bei Bewegungsabläufen setzt u.a. voraus, dass der Körper bei Bewegungen ohne unnötige Blockierung für die Bewegungsenergie durchlässig ist, sodass der ganze Körper harmonisch am Bewegungsimpuls beteiligt ist. Ferner müssen die jeweils oberen Segmente genügend Unterstützung durch die tiefer gelegenen haben.

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